Anna Seghers • Biografie und Werke (2025)

Anna Seghers wurde als Netty Reiling am 19.11.1900 in Mainz als einzige Tochter des jüdischen Kunst- und Antiquitätenhändlers Isidor Reiling und seiner Frau Hedwig geboren. Sie studierte ab 1919 Kunstgeschichte, Geschichte, Sinologie und Philologie in Köln und Heidelberg und schloss ihr Studium 1924 mit der Dissertation »Jude und Judentum im Werke Rembrandts« ab. In diesem Jahr veröffentlichte Seghers ihre erste literarische Erzählung »Die Toten auf der Insel Djal«, die in der Weihnachtsausgabe der »Frankfurter Zeitung« und dem »Handelsblatt« erschien.

In Heidelberg lernte Seghers den ungarischen Emigranten László Radványi (später Johann Lorenz Schmidt) kennen, den sie 1925 heiratete. Das Ehepaar zog nach Berlin, und 1926 kam ihr Sohn Peter zur Welt. Im Jahr 1927 wird die Erzählung »Grubetsch« unter dem Pseudonym »Seghers« veröffentlicht. 1928 kam ihre Tochter Ruth zur Welt. Im gleichen Jahr erhielt Anna Seghers für dieses Werk und für eine weitere Erzählung »Aufstand der Fischer von St. Barbara« den renommierten Kleist-Preis.

Fortan schrieb und veröffentlichte sie ihre Werke unter ihrem Künstlernamen Anna Seghers. Zudem trat sie in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein, und im Jahr darauf schloss sie sich dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS) an. Im Jahr 1930 begab sie sich zum ersten Mal auf eine Reise in die Sowjetunion. Danach folgten die Erzählungen »Die Ziegler« und »Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft« (1930) sowie der Episodenroman »Die Gefährten« (1932), in dem sie schon vor dem drohenden aufsteigenden Faschismus in Deutschland warnte.

Nachdem am 30. Januar 1933 Hitler als Reichskanzler ernannt wurde, am 27. Februar der Reichstag in Flammen stand und damit die Verfolgung von linken Oppositionellen und Intellektuellen sowie deutschen Juden einsetzte, wurde auch die Kommunistin, Jüdin und links engagierte Schriftstellerin Anna Seghers zum Exil gezwungen. Ihr Fluchtweg führte sie über die Schweiz nach Paris.

In den schwierigen Jahren des Pariser Exils versuchte Anna Seghers, vor allem ihren Kindern ein relativ normales Leben zu bieten. Dabei gab sie ihre schriftstellerische Tätigkeit nie auf, im Gegenteil: Insbesondere im Exil intensivierte sie ihre Bemühungen, gegen das nationalsozialistische Deutschland ihre Stimme zu erheben. Ihre Berufung war es, als Antifaschistin das Volk über das verbrecherische Regime aufzuklären. Sie gehörte zu den Kunstschaffenden, die sich im Exil politisch engagierten.

Seghers arbeitete für antifaschistische Exilzeitschriften, unter anderem für die »Neuen Deutschen Blätter. Monatsschrift für Literatur und Kritik«. In ihrem ersten Exilwerk, dem Roman »Der Kopflohn« (1933), beschäftigte sich Seghers auch mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Der Roman »Der Weg durch den Februar«, der 1935 entstand, schloss sich thematisch daran an. Es folgten der Roman »Die Rettung« (1937) und »Die schönsten Sagen vom Räuber Woynok« (1938), »Sagen von Artemis« (1938) und die Erzählung »Reise ins Elfte Reich« (1939). In den Jahren 1937 und 1938 nahm Anna Seghers an internationalen Schriftstellerkongressen in Madrid und Paris teil.

Mit ihrem Briefwechsel, den Anna Seghers mit dem ungarischen Philosophen und Literaturtheoretiker Georg Lukács (1885–1971) zwischen 1938 und 1939 führte, schaltete sie sich in die sogenannte Expressionismusdebatte ein. Im Kern ging es in diesem Diskurs im weitesten Sinne um den Realismusbegriff im marxistischen Kunst- und Literaturverständnis. Den antifaschistischen Schreibenden sollte eine verbindliche Schreibtechnik auferlegt werden, was Anna Seghers ablehnte.

In dieser Zeit begann sie auch mit der Arbeit an ihrem Roman »Das siebte Kreuz«, dessen Manuskript später in den Kriegswirren auf abenteuerliche Weise in Sicherheit gebracht werden konnte.

Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, und 1940 marschierten die Deutschen in Paris ein, sodass sie mit ihrer Familie wieder fliehen musste. Über Marseille ging Seghers` Fluchtweg 1941 nach Spanien und weiter nach Mexiko. Hier war sie für die antifaschistische Bewegung aktiv und gründete 1941 den Heinrich-Heine-Club, dessen Präsidentin sie wurde.

1942 veröffentlichte Anna Seghers den Roman »Das siebte Kreuz«, mit dem sie Weltruhm erlangte. In den USA wurde das Werk 1944 verfilmt. Das Symbol des siebten Kreuzes steht für die Hoffnung auf die Befreiung des nationalsozialistischen Deutschlands.

Durch einen schweren Verkehrsunfall verlor sie 1943 zeitweise ihr Gedächtnis. Ein weiterer Schicksalsschlag ereilte sie, als es ihr nicht gelang, ihre Mutter aus Deutschland zu retten. Sie wurde von den Nationalsozialisten im KZ Piaski bei Lublin/Polen ermordet. Diese Ereignisse verarbeitete Anna Seghers in der Erzählung »Der Ausflug der toten Mädchen« (1946). Im Jahr 1944 erschien ihr Roman »Transit« in spanischer, englischer und französischer Sprache (in deutscher Sprache erst 1948), in dem sie teilweise auch ihre persönlichen Erlebnisse von der Flucht verarbeitete.

1947 kehrte Anna Seghers über New York, Stockholm und Paris nach Deutschland zurück und ließ sich mit ihrer Familie in Berlin nieder. Im Juli erhielt sie für ihren Roman »Das siebte Kreuz« den Georg-Büchner-Preis der Stadt Darmstadt. Des Weiteren wurde sie Vizepräsidentin des »Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands«. Ab 1948 engagierte sich Anna Seghers aktiv in der Nachkriegs-Friedensbewegung und war in den nachfolgenden Jahren diesbezüglich in vielen Ländern unterwegs.

Im Jahr 1949 erschien ihr sozialistischer Gesellschaftsroman »Die Toten bleiben jung«, der 1968 verfilmt wurde. Darüber hinaus erfolgte die Veröffentlichung der Erzählung »Die Hochzeit von Haiti«. Im Jahr 1950 wurde Seghers Mitglied des Weltfriedensrats und zum Gründungsmitglied der Deutschen Akademie der Künste berufen. Im September 1951 begab sie sich auf eine Reise nach China und erhielt in diesem Jahr auch den Nationalpreis der DDR.

In den Jahren von 1952–1978 war Seghers Vorsitzende des Schriftstellerverbands der DDR und wurde mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt und öffentlich gefeiert.

Im Herbst 1956 kam es in Ungarn zum Aufstand, bei dem die Sowjetunion intervenierte. Anna Seghers beteiligte sich daran, dem Philosophen Georg Lukács zu helfen. Auch für Walter Janka, Leiter des Aufbau Verlags und gleichzeitig ein langjähriger und enger Freund, der 1957 in einem Schauprozess wegen konterrevolutionärer Verschwörung zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, intervenierte sie bei Ulbricht. Jedoch nahm sie bis zu ihrem Tod nie öffentlich Stellung gegen das SED-Regime, was ihr viel Kritik einbrachte.

1959 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Universität Jena zuteil, und es erfolgte die Veröffentlichung ihres Romans »Die Entscheidung«. 1961 kam die Erzählung »Das Licht auf dem Galgen« heraus. In den Jahren 1961–1966 nahm Anna Seghers an einigen Kongressen teil, die sich mit der Rolle der schriftstellerisch Tätigen im Sozialismus beschäftigten. Zudem unternahm sie zwei Reisen nach Brasilien. In der Erzählung »Das wirkliche Blau« (1967) beschäftigte sie sich mit ihren Erfahrungen aus dem mexikanischen Exil. 1971 erschien der Roman »Die Überfahrt«. 1981 wurde sie nach einigen Auseinandersetzungen Ehrenbürgerin ihrer Geburtsstadt Mainz. Am 1. Juni 1983 starb Anna Seghers in Ost-Berlin.

Biografie von Ulrike Bonarius. © Inhaltsangabe.de.

Veröffentlicht am 9. Mai 2023.

Zuletzt aktualisiert am 9. Mai 2023.

Anna Seghers • Biografie und Werke (2025)
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Author: Kareem Mueller DO

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